Forschungsschwerpunkte:


Pragmatisierung / Entpragmatisierung in den Relationen Sprache und Bild, Text und Theater.

1. Ekphrasis: Kunstbeschreibung als Versuch, die unⁿberbrⁿckbare Kluft zwischen Sprache und Bild zu ⁿberbrⁿcken.

Von der Antike bis ins 18. Jahrhundert schien das VerhΣltnis von Bild und Text eher unproblematisch: eine Analogie, gar Gleichrangigkeit wurde postuliert, zumindest im Paragone diskutiert, in der Formel 'ut pictura poesis' tradiert. Die sich seit dem 18. Jahrhundert verschΣrfende Autonomisierung der Kⁿnste (auch als Folge der radikalen Trennung aller Diskurse), die damit verbundene Aufgabe 'mimetischer' Darstellung bzw. der Verlust an 'Wiedererkennbarkeit' bringen Wort und Bild, Kunst und Literatur in eine kaum ⁿberbrⁿckbare Distanz; jegliche Analogisierung scheint unm÷glich. Und dennoch bzw. gerade deswegen ist bereits im 19. Jahrhundert eine Tendenz zu SynΣsthesien bemerkbar, wird im 20. Jahrhundert insbesondere in Frankreich die Auseinandersetzung mit Kunst, die Kunstkritik im weitesten Sinne, zum Medium der Poiesis, darⁿberhinaus allgemein zu einem Medium der Erkenntnis, Σsthetisch, poetologisch, wissenschaftlich. Kunstbeschreibung als Verfahren scheint die St÷rung, ja die Negierung der Referenz von Sprache und Welt und im besonderen von Sprache und Bild in der poetisch-poetologischen Reflexion und einer wiederum durch sie generierten Dichtung aufheben zu wollen. Intendiert ist letztlich, ⁿber Kunstbeschreibung als Kunsterfahrung zu einer prΣreflexiven, 'PrΣsenz' evozierenden 'Ur-Spache' (zurⁿck-) zu finden.
Gerade dieser Befund, der par excellence die Moderne kennzeichnet, k÷nnte aber die als selbstverstΣndlich postulierte Relation von Kunst und Literatur, wie sie in dem (falsch verstandenen) Horazischen 'ut pictura poesis' wirkmΣchtig formuliert ist, auch fⁿr die Antike, das Mittelalter, die Renaissance im oben skizzierten Sinne problematisieren. Das 'Wesen' der Sprache, im ganzen der Schrift, nur mehr Abwesendes prΣsent machen zu k÷nnen und dies in nur unzulΣnglichem Ma▀e, wird - so die weiterfⁿhrende These - von Anbeginn kompensiert durch das Bild. Die Gattung der Ekphrasis, im ganzen das ekphrastische Prinzip (Murray Krieger: Ekphrasis - The Illusion of the Natural Sign , 1992), das den frⁿhen griechischen Epigrammen als Beigabe zu einer Statue ebenso eignet wie dem komplexeren Emblem, verweist auf die keineswegs nur die Moderne kennzeichnende Wahrnehmung einer prinzipiell unⁿberbrⁿckbaren, doch gerade darum zu ⁿberbrⁿckenden Kluft zwischen Welt und 'Sprachen der Kunst' (Goodman), zugleich auch auf die unhintergehbare und ubiquitΣre KomplementaritΣt von 'Pragmatisierung/Entpragmatisierung'. Es dⁿrfte von Interesse sein, da▀ dieses PhΣnomen nicht nur fⁿr die Moderne in seiner radikalen Variante Geltung hat, sondern in Ma▀en und in Differenz auch fⁿr die Antike und die Renaissance.

Wichtige Forschungsliteratur

Speziell zum skizzierten Gegenstand liegt bisher keine Forschung vor.

Eigene Vorarbeiten (Maria Moog-Grⁿnewald, Romanisches Seminar)

M÷gliche Dissertationsprojekte



2. Wider die Geschlossenheit der ReprΣsentation: die theatralischen und dramatischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts als Akte gegen die Grundhandlung des Theaters.

Ein zweites Forschungsfeld zu diesem Schwerpunkt hat einen Gegenstand, der sich durch Totalisieren der ReprΣsentation definiert: Theater als Institution, die alles zum Zeichen macht. Die 'Realisierung' die das Theater dem Text verspricht (ihn als Spielvorgabe zu pragmatisieren), ist stets nur, ein Abwesendes vorzustellen. Ebenso ist auch alles Nicht-Textuelle auf dem Theater wesensmΣ▀ig nie bei sich, sondern auf ein Bedeutetes hin gespannt. 'Geschlossenheit der ReprΣsentation' (Derrida) kennzeichnet die konstitutive Semiosis des Theaters. Aber auch dieser Entzug von PrΣsenz wird von Anfang an kompensiert: durch den Ursprung des (europΣischen) Theaters selbst im Kult, als Veranstaltung, die in der ekstatischen Begehung (Komos) den Gott in die Gegenwart zitiert. Erneuerungen des Theaters erfolgen entsprechend vom griechischen Theater an in der Rⁿckwendung auf diesen Ursprung, als Aufbegehren gegen die Strukturen der Formierung und BΣndigung der ursprⁿnglichen PrΣsenz-Erfahrung in Spielordnungen, so verstanden in 'Theater', das das 'Dionysische' verstellt, wogegen Versuche gesetzt werden, die kultisch-mythische Wurzel des Theaters zu revitalisieren. Es erscheint lohnend, die 'Revolutionen' des Theaters wie des Dramas im 20. Jahrhundert unter diesem Blickwinkel neu zu betrachten: als autochthon sich begrⁿndende UmwΣlzungen, um dem Theater das ihm grundsΣtzlich Entzogene, PrΣsenz, zurⁿckzugewinnen. In diesem Horizont wird der Stellenwert transtextueller und transtheatralischer Pragmatisierungen als Movens der 'Revolutionen' von Theater und Drama neu zu bestimmen sein. Aufheben der Grundhandlung des Theaters, des Bedeutens, womit das Theater in seiner autochthonen 'Pragmatik' zur Disposition steht: das russische avantgardistische Theater (z.B. von Meyerhold, Wachtangow, Tairow, Eisenstein; hierzu auch: Auseinandersetzungen zwischen Cechov und Stanislawski), die Theaterarbeit Max Reinhardts, die Theaterexperimente und -entwⁿrfe Artauds und Majakowskis, die Theaterarbeit Grotowskis, Brooks, Wilsons, Mnouchkines sollen unter diesem Blickwinkel neu betrachtet werden. Weiter soll gefragt werden, wie weit die gro▀en dramatischen Neuerer des 20. Jahrhunderts (Majakowski, Beckett, O'Neill, Pirandello, der Brecht der Lehrstⁿcke, in der Gegenwart z.B. Heiner Mⁿller und Botho Strau▀) sich gleichfalls durch dieses Bemⁿhen erschlie▀en, ╓ffnung zu leisten fⁿr Erfahrungen von PrΣsenz. Zwei gegenlΣufige Bewegungen (als paradoxe Entpragmatisierung des Dramas) werden dabei zu verfolgen sein. Zum einen, das Theater mit Texten zu beliefern, die 'vom Theater nicht zu machen sind' (Heiner Mⁿller, der nur solche Texte als genuin theatralische gelten lΣ▀t). Zum andern ein Theater, das mit dem Text so umgeht, da▀ dessen 'Diktatur ⁿber das Theater' (Artaud), stellvertretend fⁿr die totalisierende Semiosis des Theaters, gebrochen wird.

Wichtige Forschungsliteratur

Eigene Vorarbeiten (Bernhard Greiner, Deutsches Seminar, Rolf-Dieter Kluge, Slavisches Seminar)

M÷gliche Dissertationsprojekte



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© '96 Deutsches Seminar, UniversitΣt Tⁿbingen Letzte Änderung: 23.07.96